Pricing and Distribution Day 2015

Es war an der Zeit, den Direktvertrieb in der Hotellerie wieder mal ins Visier zu nehmen. Am Pricing and Distribution Day der HSMA drehte sich alles um den Direktvertrieb und um die richtigen Preisstrategien, die auch die preispsychologische Seite bei Kaufentscheidungen nicht missachtete. Tja, und dann waren da noch die 3 Big Player Booking.com, HRS und Expedia, die auf der Bühne Rede und Antwort stehen durften. Hier mein kleines Resumé (gepaart mit eigenen Gedanken) zu einer gelungenen Veranstaltung, von der jeder Touristiker nur profitieren kann.

Nach der obligatorischen Begrüßung durch die Veranstalter durfte Dr. Mark Friesen von Quinta Consulting den Anfang machen und betonte gleich mal, dass unsere Kunden durch ständige Rabatt-Aktionen den Respekt gegenüber der Marke verlieren könnten. Danach stellte er 3 Effekte vor, die bei der Kaufentscheidung eine große Rolle spielen: Der Referenzpreiseffekt besagt, dass die Preiswahrnehmung immer relativ ist und der Vergleich absoluter Zahlen daher weit förderlicher ist als prozentuale Rabatte, die mit dem teuersten Preis beginnen. Beim Decoy-Effekt wiederum wird beim Preisvergleich eine scheinbar „sinnlose“ Zwischenstufe eingeführt, um die Kaufentscheidung zu beeinflussen. The Economist hat diesen Effekt getestet, in dem Studenten befragt wurden, ob sie sich bei Interesse eher für die Print- und Online oder nur die Online-Abovariante entscheiden würden. Bei der ersten Befragung gab es nur die Wahl zwischen Online-Abo (für $ 59,-) und der Kombination Print-und Online-Abo ($ 125,-). Die deutliche Mehrheit entschied sich bei dieser Befragung für das billigere Online-Abo. In einer zweiten Befragung blieben zwar die Preise gleich, aber es wurde nun auch die reine Print-Variante zum gleichen Preis ($ 125,-) angeboten. Nun galt es also zu entscheiden, ob man die Online-Variante für $ 59,-, die Print-Variante für $125,- oder die Kombination von Print- und Online für ebenfalls $ 125,- nimmt. Es wird somit ein Köder ausgelegt und die Wertigkeit vom Print-Abo scheinbar angehoben. Das zweite Angebot suggeriert einen großen Preisvorteil, wenn ich mich für die Kombination entscheide, während man in der ersten Befragung nicht genau wusste, was das Print-Abo eigentlich wert sein kann. Mit der Einführung dieser Zwischen-Stufe entschieden sich nun 75 % der Befragten für das Kombinationsangebot und nur noch 25 % für die reine Online-Variante. Weiters darf auch der Compromise-Effekt nicht vernachlässigt werden. Gäste vergleichen gerne, aber zu viele Alternativen verwirren den Kunden. Bei 3 Optionen entscheiden sich beispielsweise im Durchschnitt mehr als 50 % für die mittlere Option. Dr. Friesen ist der Ansicht, dass die Preisstruktur in den nächsten 5 Jahren wertbasiert und individuell und dadurch noch viel flexibler werden wird. Er ist sich sicher, dass durch Nützung von BigData zukünftig bei beispielsweise 30 Suchanfragen vom selber Ort und für denselben Flug 30 verschiedene Preise angezeigt werden. Da jeder potentielle Gast durch sein Kaufverhalten eine unterschiedliche Preiswahrnehmung und vor allem unterschiedliche Wertigkeiten für verschiedene Produkte hat, ist dies definitiv ein interessanter Ansatz, um die höchste Preisdurchsetzung zu erzielen,… denn „Price is only an issue in the absence of value“.

In der anschließenden Studien-Präsentation von PhocusWright ist mir lediglich ein fragwürdiges Ergebnis in Erinnerung geblieben. Und zwar war dies die Behauptung, dass die Direktbuchungen und der Individualhotellerie im Vergleich zu den Buchungen der OTAs in den nächsten Jahren um ca. 20 % stärker wachsen werden. Starke Ansage, deren „Wahrwerden“ wir uns alle nur wünschen können, an die aber wohl keiner so richtig glaubt…

eResult wiederum präsentierte im Anschluss ein paar Zahlen und Fakten zu einer Studie, in der jährlich mehr als 600 Nutzer einer Befragung ausgesetzt werden, um zu erfahren welche Kriterien eine perfekte Hotelwebsite eigentlich erfüllen muss. Der Vortrag von Thorsten Wilhelm drehte sich hauptsächlich um die zentrale Aussage „Eine mobile Website ist ein Basis- und kein Begeisterungskriterium mehr„. Er präsentierte im Anschluss an ein paar allgemeine Folien dann vor allem gut und schlecht umgesetzte Praxisbeispiele (Maison Souqouet Paris, Hotel Catalonia Barcelona, 25 Hours Hotel Frankfurt,…). Interessant anzusehen, aber wenig neue Inhalte. Die Studie zur Steigerung der Nutzerfreundlichkeit auf Hotelwebsites wird übrigens für € 299,- angeboten.

Danach war die Bühne frei für Booking, HRS und Expedia. 3 Buchungsportale, 3 Selbstdarstellungen, 3 unterschiedlich gute Selbstdarsteller. Während Booking uns noch die Firmen-Mission „To help leisure and business travelers, whatever their budgets, easily discover, book, and enjoy the world’s best places to stay“ zu verkaufen versuchte, betonte Expedia vor allem den großen Fokus auf das Bildmaterial und die Einführung des neuen Realtime-Feedbacks. Außerdem verzichtet man ganz bewusst auf individuelle Hotelbeschreibungen… immerhin sollen ja alle Häuser gut miteinander verglichen werden. Den Auftritt vor Hoteliers taktisch klug gemeistert hat HRS, die mit Lukasz Dabrowski einen Englisch sprechenden Vertreter auf die Bühne schickten. Ein großartiger Präsentator, der nicht müde wurde, den Business-Faktor von HRS herauszukehren. Durch das vorwiegend deutsche Publikum bot sich im Anschluss auch von den Fragen her die geringste Angriffsfläche für HRS. Jedenfalls haben alle 3 keine Angst vor der Amazon-Travel (Amazon will hiermit auch auf dem Reisemarkt Fuß fassen). Einig war man sich auch bei der zunehmenden Wichtigkeit der mobilen Buchungen. In China werden heute bereits 95 % aller Hotelbuchungen mobil getätigt (lt. Aussage Booking.com). Ein eindeutiger Trend für Europa ist somit absehbar. Ein Kommentar aus dem Publikum fasste das Fazit der 3 Vorträge und die Diskussionen um die neuen AGB dann sehr gut zusammen: „Ihr fürchtet euch nicht vor Amazon – warum also dann vor der hoteleigenen Website?

des Corporate-Geschäftes

HRS und das Wachstum des Corporate-Geschäftes

Less is more! Im Nachmittags-Workshop mit Brita Moosmann und Renko Hermans von Hotelpartner wurde den teilnehmenden Hoteliers bewusst, dass ca. 99 % der Anwesenden nur aus dem Bauch heraus entscheiden, ob Gruppenanfragen angenommen werden sollten oder nicht. Gute Forecasts und Klarheit über alle variablen Kosten sind jedenfalls eine unverzichtbare Grundlage, um das Risiko abschätzen zu können.

Anschließend machte Ullrich Kastner von myhotelshop den Teilnehmern bewusst, wie wichtig es ist, die Hotelprofile auf Trivago und Kayak aktuell zu halten und zu warten. Metasearch ist allgegenwärtig und mit der richtigen Strategie können auch Individualhotels sehr gut von cost-per-click Modellen profitieren.

Am Nachmittag bekamen auch 3 Buchungsmasken die Möglichkeit den Teilnehmern ihre Vorzüge zu präsentieren. Etwas leid tat mir hier gleich der erste Kandidat von Online-Res, der zwar sehr ambitioniert war, aber seinen Nachfolgern nicht annähernd das Wasser reichen konnte. Als Pluspunkt der Buchungsmaske kann man vielleicht noch die Paypal-Integration sowie das umfassende Tracking und die Offenheit für Veränderungen sehen. Die Umsetzung ist zwar responsive, aber vom Design her leider nicht schön gelöst. Auch die Reservierungsbestätigungen lassen hier leider zu wünschen übrig. Die Statistiken der Hotelbeispiele lesen sich aber jedenfalls gut (Burghotel Haselünne, 50 % Direktbuchungen, 4,2 % Conversion / Bergström Lüneburg,  8% Conversion / Bedpark Hamburg, 30 % Direkt, 5 % Conv. / Elbzollhaus, 35 %, 9 %). Bleibt nur die Frage offen, ob das an der Buchungsmaske liegt?
Viel besser schnitten da im Vergleich die H-Hotels im Anschluss ab. In einer sehr guten Präsentation wurden die Vorzüge (intuitive 3 Schritte bis zur Buchung, Förderung des Kategorienverkaufs, Ratenvielfalt, Bezahlvarianten, Integration von externen Gutscheinabietern, viele Schnittstellen) der Booking-Engine schön dargelegt. Definitiv eine gute Lösung, die aber bei genauerer Betrachtung gerade auch in Bezug auf Responsive Design noch ausbaufähig ist.
HotelNetSolutions begeisterte zum Pitch-Abschluss mit einer chilligen Präsentation. Zum Einstieg gab es sommerliche Musik und Hugo in Dosen für das ganze Publikum. Dass die Buchungsstrecke als „One-Pager“ allerdings auch technologisch einiges drauf hat, ging in der kurzen PowerPoint dann fast unter. Eventuell eine Spur zu chillig….

Es geht ums Chillen am HSMA Pricing Day in Frankfurt 2015

Es geht ums Chillen am HSMA Pricing Day in Frankfurt 2015

Revenuemanagement in der Veränderung! Heiko Siebert stellte neben den „Yield-Dinos“ EasyRMS und Ideas auch die vergleichsweise jungen Player Snapshot, duetto und PriceMatch vor. Warum hier mit Hotelpartner ein weiterer, großer Anbieter (mit dem wir auch sehr erfolgreich im Hotel Zeitgeist Vienna zusammenarbeiten) vergessen wurde, ist mir allerdings schleierhaft.
Herr Siebert erläuterte in den Ergebnissen einer Befragung die Ansprüche eines Revenuemanagers und stellte diese der Praxis gegenüber. Während oft totales Revenuemanagent gewünscht wird, bezieht es sich dann in der Praxis doch überwiegend auf die Logis. Anstelle eines strategischen Revenuemanagements wird meist auch nur eine operationelle Funktion ausgeübt. Automatisierung durch Softwareanbieter bedürfen auch leider nach wie vor einem großen Aufwand in der Systempflege und anstelle von Forecasts kümmern sich Revenuemanager meist um die Datenaufbereitung. „Es ist an der Zeit, Revenuemanagement neu zu entmystifizieren!„. Empfohlen wurde zum Abschluss die Zertifizierung durch das European Centre for Revenue Management Education.

Nicht abwarten, Machen!

Nicht abwarten, Machen!

Peter Hense von Spirit Legal sollte dann zum Tagesabschluss noch über rechtliche Rahmenbedingungen in der Online-Distribution referieren, ließ aber dann noch Lisa Edelmann (Direktionsassistentin im Intercity Hotel Leipzig) den Vortritt. Frau Edelmann lieferte sehr enthusiastisch und vor allem sehr authentisch Ergebnisse aus ihrer kürzlichen Bachelorarbeit. Direktvertrieb ist nach wie vor ein interessanter Distributionskanal. Handlungsansätze zur proaktiven Förderung gegenüber anderen Distributoren sind gefragt. Ein absolutes MUSS ist es, jeden Mitarbeiter soweit zu schulen, dass dieser auch ungefragt jeden Gast über die eigene Preispolitik und die Vorteile der Direktbuchung aufklären kann. Meistens wird auch Gewohnheit oder wegen günstigeren Preisen auf den Portalen gebucht. Kaum einem Gast ist es aber bewusst, dass hier Kommissionen von bis zu 25 % gezahlt werden müssen. Seitenhiebe in Richtung der 3 anwesenden Buchungsportale (Wer hat Angst vorm besten Preis?) waren ebenso zentraler Inhalt der Präsentation, wie die Aufforderung, endlich was zu unternehmen, denn „Was passiert, wenn nichts passiert?!„.
Peter Hense übernahm danach wieder das Wort und erläuterte noch sehr anschauend, warum es bspw. bei Booking gar keine echte Bestpreisgarantie gibt. In den AGB von Booking ist nur die Rede von einer Rückerstattung an den Gast (durch das Portal), falls teurer gebucht wurde als anderswo im Netz.

Bestpreisgarantie von Booking.com rechtswidrig

Bestpreisgarantie von Booking.com rechtswidrig

Auch die bekannten „Streichpreise“ auf Booking sind wettbewerbswidrig, weil irreführend: Hier wird dem Kunden eine Ersparnis suggeriert, die de facto nicht vorhanden sein muss, da sich diese Ersparnis auf einen Ausgangspreis bezieht, dessen Basis der Durchschnitt der Verkaufspreise der letzten 30 Tage ist. Die Diskussion um das BrandBidding und dem damit eventuell verbundenen Verlust von eigenem Geschäft ist dann wieder nicht ganz so neu. Immerhin unterzeichnen wir alle ja solche Verträge. Ein Aha-Effekt tat sich dann bei vielen Zuhörern auf, als Herr Hense feststellte, dass viele Portale nicht nur Rate-Parity sondern auch Brand-Parity verlangen. Ein Absatz in den AGB von Agoda beispielsweise besagt, dass Agoda dann mit dem Hotelnamen werben darf, sobald irgendeinem anderen Portal das Recht eingeräumt wird, mit dem hoteleigenen Namen zu werben. Hmm… also wenn andere das dürfen, dann dürfen wird das auch!

Wer übrigens den bald neu eintretenden AGB von Expedia widersprechen will, der findet bei Spirit Legal ein Musterformular zum Download 🙂

Das war’s dann aber auch schon wieder mit Frankfurt. Und Zeit für den Besuch der alten Börse (von außen) und ein Abendesssen in der Stadt ist dann auch noch geblieben. Schade nur, dass es den besten Wein nicht mehr gab 😉

Bulle und Bär in Frankfurt, Alte Börse

Bulle und Bär in Frankfurt, Alte Börse

Bullshit - Drink a real Grauburgunder!

Bullshit – Drink a real Grauburgunder!

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